Widerstand

Westafrikanischer Widerstand – ein Rückblick mit Ausblicken

Die schwierige wirtschaftliche und soziale Lage der Menschen in Tendouck und der Basse Casamance zeigt viele Parallelen mit anderen Regionen Afrikas auf. In den Klassenpyramiden der sehr unterschiedlichen Länder stehen Kleinbäuer*innen mehrheitlich in strategisch denkbar schlechten Positionen, um erfolgreich Verhandlungen zu führen, die ihre miserablen Ausgangssituationen verbessern.
Aber die Landbevölkerung kämpft nicht allein!

Ein Rückblick

Angesichts der desolaten Grundversorgung vieler Millionen Menschen Westafrikas lehnten sich auch in den vielen urbanen Zentren innerhalb der letzten Jahre kollektive Widerstandsbewegungen gegen die unmenschlichen Lebensbedingungen auf.
Viele dieser Aktivist*innen wurden und werden von diversen Regierungen und NGOs als zivilgesellschaftlich wichtige Menschen mit deutlichen Bekenntnissen eines klaren Demokratiebewusstseins begrüßend unterstützt.
Gleichzeitig wurde und wird die eigentliche Ursache (der real existierende Finanzkapitalismus mit seiner imperialistischen Natur) für die fortlaufende Notwendigkeit dieser andauernden gesellschaftlichen Kämpfe von genau diesen Regierungen (und mancher NGO) nicht konkret genug benannt und somit in ihrer Existenz verleugnet.
Seit 2007 kommt es in Westafrika immer wieder zu »Aufständen«, welche in Deutschland von den etablierten Medien selten wirklich tiefgehend thematisiert werden. Ausnahmen bildeten jene »Rebellionen«, die revolutionär wurden und ganze Regierungen der Region demontierten. Das waren die Proteste von »Y’en a marre« in Senegal ab 2010 oder von »Balai Citoyen« in Burkina Faso ab 2015.

Eine wesentliche Ursache für die ersten großen Proteste ab 2007 war die systematische Brutalität, die einer (weltweiten) explosionsartigen Erhöhung von Lebensmittelpreisen entsprang.
Diese gesellschaftliche Katastrophe vereinte schlagartig Tausende Menschen auf den Straßen von verschiedenen Ländern Westafrikas und verstärkte gleichzeitig die Migrationsbewegungen Richtung Norden. Es gab in den Jahren 2007 & 2008 nordwestafrikanische »Brotaufstände« in Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Guinea, Mauretanien, Marokko, Niger, Nigeria, im Senegal und bestimmt an vielen uns nicht bekannten Orten.

Widerstand von »Y’en a marre«

Der »Globale Süden« – ein kritischer Ausblick

Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt, aber einfach wird sie für die Mehrheit der Erdenbürger*innen ganz sicher nicht sein.
Ein wesentlicher Teil der Menschheit unseres Planeten wird auch heute noch immer von der ländlichen Bevölkerung des »Globalen Südens« repräsentiert, von mehr als zwei Milliarden Menschen. In Subsahara-Afrika sind laut Weltagrarbericht offiziell mehr als 215 Millionen Menschen im Agrarsektor beschäftigt.
Diese große Zahl muss unterteilt werden in einerseits diejenigen wenigen Bäuer*innen, welche beispielsweise von einer »Grünen Revolution« in Form von Einführungen neuer »Hochertragssorten« erfasst wurden und mehr oder weniger gut in den landwirtschaftlichen Weltmarkt integriert werden und andererseits in diejenigen, welche weiterhin vom System abgekoppelt werden und auf notwendige Veränderungen warten.
Diese steigende Schere in der Teilhabe an Wohlstand und struktureller Versorgung von Menschen zeigt uns einmal mehr sehr deutlich die gewaltige soziale Dramatik auf der Erde auf.

Tendouck – ein spezifisch senegalesischer Ausblick

Auch hier müssen wir eine unsichere Zukunft erwarten oder selbst eine erfinden! Tendouck ruht scheinbar wie von der Globalisierung vergessen in der Postkonfliktregion Basse Casamance und hat bisher noch keine Chance für größere strukturelle Transformationsprozesse bekommen.
»Grüne Revolutionen«? In Tendouck gab es bisher noch keine.
Doch die Abgeschiedenheit täuscht, denn auch weit von den Handelszentren entfernte Orte wie Tendouck sind ganz deutlich in internationale Strukturen eingebunden.
Der kapitalistische Markt ist global und setzt globale Preise auch in Tendouck.
Der harten landwirtschaftlichen Arbeit entsprechende Löhne und somit angemessen hohe Produktpreise sind auch in Tendouck absolut nicht wettbewerbsfähig. Vielmehr leben die Menschen am Rande des Subsistenzniveaus.
Auch die deutsche Wirtschaft ist mit ihren »Überschussexporten« von landwirtschaftlichen Produkten wie Kartoffeln, Zwiebeln und »tiefgefrorenen Schlachthaus-Hühnern« nach Westafrika ganz erheblich an der weiteren Zerstörung lokaler Märkte beteiligt.

Dazu steckt die landwirtschaftliche Community in der »Rohproduktfalle«. 
Aufgrund des Mangels an Produktionsmitteln sowie Verarbeitungsmöglichkeiten haben die Kleinbäuer*innen derzeit nur die Möglichkeit, direkt mit ihren geernteten Rohwaren Handel zu betreiben. Das wiederum ist nur sehr begrenzt möglich, da die Tendoucker Kleinbäuer*innen keine eigenen Transportmöglichkeiten besitzen, um ihre Ernte zügig und frisch auf den weiter entfernten Märkten, wie beispielsweise in der Provinzhauptstadt Ziguinchor, zu verkaufen.

Die Frauenkooperative arbeitet ganz aktuell an Möglichkeiten, um Rohprodukte im Dorf zu verarbeiten.
Es fehlt aber an noch an allem, insbesondere Kapitalgütern, aber nicht an der Bereitschaft und dem Willen dieser großartigen Frauen.

Die eigene Weiterverarbeitung von Tendoucks Obst und Gemüse wäre eine große Chance, denn der Handel mit ausschließlich nur unverarbeiteten landwirtschaftlichen Erzeugnissen eröffnet überdies keinen Ausweg aus der Falle des liberalisierten Marktes.

Ausblick Afrika – im »Würgegriff« des liberalisierten Marktes

Die einstige Freigabe der Marktpreise durch die Aufkündigungen ehemals bestehender internationaler Abkommen, welche Preise für bestimmte Rohstoffe festlegten, macht es finanziell mittellosen Kleinbäuer*innen heute fast unmöglich, überhaupt wirtschaftlich belastbare Zukunftsplanungen zu haben.
Im Rahmen der fortschreitenden Liberalisierung des Marktes werden die Preise immer fester an die ausschließlich finanzkapitalistische Logik gekoppelt, welche nachhaltige Entwicklung für die Mehrheit der afrikanischen Kleinbäuer*innen eigentlich unmöglich macht.
Darüber hinaus muss Afrika aus der demütigenden Rolle ein globales Rohstofflager zu sein heraustreten.
Seit Jahrhunderten wurde und wird dieser Erdteil vom Imperialismus ausgeplündert, das muss endlich aufhören!
Dieser Kontinent muss wieder selbst seine natürlichen Ressourcen verarbeiten, lokal konsumieren und kann erst dann seine Überschüsse selbstbewusst in die Welt exportieren.

Ausblick auf Ausweg – »Fair Trade«

Unterschiedliche Fair Trade-Organisationen garantieren über individuell festgelegte Mindestpreise den jeweiligen Partner*innen in den armen Regionen der Welt ein höheres Einkommen als der herkömmliche Handel. Gleichzeitig werden vertraglich festgelegte Umwelt- und Sozialstandards kontrolliert und eingehalten.
Der »Faire Handel« ist somit seiner Seele nach eine Strategie, um die wirtschaftliche »Gewalt« der finanzkapitalistischen Marktlogik abzuschwächen. 

Aber schon die hohen Zertifizierungskosten, die Bedingung zur Teilhabe an dieser alternativen Handelsstruktur sind, verschließen ausgerechnet den ärmsten der armen Kleinbäuer*innen dieser Welt, den Zugang zum »gerechten Welthandel«.
Die unfaire Reproduktion der liberalen Marktlogik von »Stärke bezwingt Schwäche« manifestiert die »Fairhandelsbewegung« somit ebenso und kann daher nur wenige punktuelle Veränderungen im ländlichen Westafrika ermöglichen.

Und nicht nur im Westen!

Die Anzahl von kontrollierten »fairen Handelsstrukturen« ist einerseits im gesamten Subsahara-Afrika statistisch sehr hoch. Andererseits ist die real existierende Armut der dort lebenden Landbevölkerung noch immer viel zu groß!
Dies steht für uns im großen Widerspruch zur eigentlichen Idee von einem wirklich gerechten und solidarischen Welthandel.

Dennoch, es gibt immer mehr wirtschaftlich gut funktionierende »Fair Trade-Projekte« in Westafrika. Diese »landwirtschaftlichen Enklaven« übereignen ihre angebauten Produkte mehrheitlich als unverarbeitete »Fair Trade-Rohware« den nördlich gelegenen Importmärkten. Erwähnenswert sind in Westafrika unbedingt die großen Baumwollkooperativen in Burkina Faso, Mali oder Senegal, welche für die »Fair Trade-Bekleidungsindustrie« von großer wirtschaftlicher Bedeutung sind.

Die Mehrheit der Kleinbäuer*innen Westafrikas wartet aber noch immer auf »faire« Investor*innen und übersieht dabei möglicherweise die unberechenbare Gefahr einer weiteren Form der ausländischen »Übernahme« ihrer Felder und Anbaukulturen.
Die Hoffnung der Armen auf eine Zukunft ohne Armut eröffnet ganz schnell auch einigen dubiosen, ganz fortschrittlich »bioundfair« zertifizierenden neokolonialen Unternehmer*innen den Weg in die »Postkolonien« Westafrikas.

Unser Fazit

Die wahre Solidarität hat den höchsten Preis, den der Unverkäuflichkeit!